Sächsische Zeitung - Freital
Wege durch die Wildnis bahnen - Ein Interview mit Hanka Snatkin und Axel Weyl06. November 2004 - von Jörg Stock
Zwei Kleinopitzer bauten in Sibirien an einem Rundkurs um den Baikalsee mit und genossen rustikales Lagerleben
Er soll der längste Wanderweg der Erde werden - der Great Baikal Trail rings um das "heilige Meer" Sibiriens. An den 1800 Kilometern Wegenetz am Baikalsee haben diesen Sommer auch zwei Kleinopitzer mitgebaut.
Stellen Sie sich Ihren Traumstrand vor: Der Sand ist weiß und das Wasser glasklar. Und für den verwöhnten Magen gibt's natürlich - hoppla! - kein Schlemmerbüffet, sondern Kohlsuppe, Gerstenbrei und Buchweizen. Und das zwei Wochen lang.
Solche Kontraste sind dann doch nicht jedermanns Sache. Aber Hanka Snatkin und ihr Mann Axel Weyl gehören auch nicht zu den "Jedermännern". Deshalb wagten die beiden diesen Sommer den Sprung vom kleinen Kleinopitz zum riesigen Baikalsee ins noch viel riesigere Sibirien. Ihre Aufgabe: mit einer internationalen Truppe am längsten Wanderweg der Welt bauen.
Der Great Baikal Trail - zu Deutsch also Großer Baikal-Wanderweg - soll einmal 1800 Kilometer lang sein und rund um den siebentgrößten See der Welt führen. Partner des Projektes ist der Verein Baikalplan, der auch die Arbeitskräfte anwirbt. Auf eine Suchanzeige in der SZ meldete sich auch Hanka Snatkin mit ihrem Mann, beide Metallurgen im Freitaler Edelstahlwerk.
Freunde und Bekannte schüttelten die Köpfe: Im Urlaub freiwillig nach Sibirien? Und arbeiten? Hanka Snatkin ließ sich nicht beirren: "Ich wollte sehen, wie es den russischen Menschen nach 15 Jahren Perestroika geht", sagt sie. Nicht mit den Großstadtmenschen Moskaus wollte sie ins Gespräch kommen, sondern mit denen, die weitab der Zivilisation in einer Rockfalte von Mütterchen Russland leben.
Diese Rockfalte fanden die beiden auf einer Halbinsel im Baikalsee, die "Heilige Nase" genannt wird. Vierzehn tage lang war ein Zeltlager am Seeufer ihre Heimat und die Nachbarn und Arbeitskollegen mehrheitlich Russen und Burjaten - lokale Ureinwohner. "Gesprochen wurde russisch, obwohl uns gesagt wurde, dass Englisch die Lagersprache sei", sagt Hanka Snatkin.
Für die 44-Jährige, die fünf Jahre in Moskau studierte, war das kein Problem. Für ihren Mann Axel schon. "Man hat sich dann eben mit Händen und Füßen verständigt", sagt er. Zum Beispiel, als er zusammen mit einem jungen Russen Lagerdienst hatte und für die Beköstigung der 18 Mann starken Arbeitsbrigade zuständig war. "Das klappte zwar irgendwie", schmunzelt Weyl. Allerdings ist dann der halbe Topf Reisbrei angebrannt. Den mussten wir dann entsorgen."
Im Lager, umstellt von dichter Taiga, gab es weder Strom noch Gas. Gekocht wurde überm Lagerfeuer, abgewaschen im Baikalsee mit Seesand und Seife. Für die Notdurft stand das sibirische Wanderklo" bereit. Funktionsprinzip: Ein bodenloses Holzhäuschen wird über eine Grube gezimmert. Ist das Fassungsvermögen des Lochs erschöpft, wird es zugeschüttet und das Häuschen einfach weitergerückt.
Zum Wegebau ging es fast täglich raus in die Wildnis, bewaffnet mit Sägen, Äxten und Hacken. Anfangs haben wir nahe am Lager gearbeitet", berichtet Hanka Snatkin. "Später sind wir dann über eine Stunde zum Arbeitsplatz marschiert." Angeführt von einem Nationalparkangestellten schlug die kleine Brigade eine Schneise durch den Busch, zirka einen halben Meter breit. Sie beseitigte Wildwuchs und begradigte vorhandenen Trampelpfade. Mit der Arbeitsbelastung, das versichert die eher zierlich gebaute Hanka Snatkin, habe es keine Probleme gegeben. Insgesamt schaffte die Gruppe in den 14 Tagen etwas fünf Kilometer Wanderweg.
Eine der schönsten Erfahrungen im Camp war für die Kleinopitzer die Gemeinsamkeit. Selbst wenn es regnete, so erzählen sie, wurde zusammen unter freiem Himmel gegessen. "Man isoliert sich einfach nicht so, wie hierzulande." Und die abendliche Lagerfeuerrunde mit russischer Popmusik von der Gitarre ersetzte vollauf das gewohnte Fernsehprogramm.
Axel Weyl, der aus Nordrhein-Westfalen stammt, beeindruckte der Menschenschlag hinterm Ural. "Die Leute sind mit so wenig zufrieden. Die würden nie auf die Idee kommen, wegzuziehen."
Hanka Snatkin hat die Russen am Baikal so wiedergefunden, wie sie sie einmal in Moskau verlassen hat. "Sie sind zwar manchmal etwas chaotisch aber teilen mit ihrer angeborenen Herzlichkeit das letzte Stück Brot mit Dir."
