Sächsische Zeitung - Dresden
Wodka für den Baikal - Ein Interview mit Gerd Marschner 10. Juli 2004 - von Claudia Schade
Ein freiwilliger Helfer erzählt von seinem Arbeitseinsatz für Wanderwege in Sibirien
Gerd Marschner hat bei einem Hilfseinsatz in Sibirien einen Wanderweg im Norden des Baikalsees angelegt.
Der Fisch war gut, die Arbeit anstrengend und die Mücken lästig. Vor wenigen tagen ist Gerd Marschner von seinem Freiwilligeneinsatz am Baikalsee zurückgekehrt. Zwei Wochen lang hat er dem internationalen Verein Baikalplan in Sibirien geholfen, ein System von Wanderwegen aufzubauen (die SZ berichtete am 17.6.).
"Die Arbeit war mühsamer als ich dachte", sagt der 59-Jährige. "Als wir ankamen, war der Weg ein Trampelpfad." Also mussten die 17 Freiwilligen der Gruppe erst einmal die Trasse verbreitern. "Wir haben gefallene Bäume und große Steine weggeräumt", erinnert sich Marschner. "Kleine Bäume haben wir auch gefällt. Ich habe vier Tage lang richtig rumgeholzt und mir einige Schrammen eingefangen." Doch der Dresdner ist hart im Nehmen. Auch das Leben im Zeltlager ohne warmes Wasser, Strom, Tische oder Stühle machte ihm nichts aus. Von Sewerobaikalsk im Norden des Baikalsees wurden die Helfer aus Russland, Amerika und Deutschland zuvor mit einem Schiff zu ihrem Einsatzort in der Wildnis gebracht.
Fisch mit Kopf und Schwanz in der Suppe
Unterwegs spendierte die gastfreundliche Besatzung Wodka- und machte die Gäste mit einem sibirischen Brauch vertraut. Vor dem Trinken stippen sie mit dem Finger kurz ins Glas. der Baikal bekam auch etwas ab, erinnert sich Marschner. Im Camp haben sich die zwölf Männer und 15 Frauen hauptsächlich von Fisch ernährt. Ihren Fang aus dem Netz spießten sie zum Braten auf Stöcke oder verarbeiteten ihn mit Kopf und Schwanz zu Fischsuppe. Auch Marschner hatte Küchendienst. "Das lag mir allerdings nicht so", gesteht er. Ein Woche lang schufteten die Helfer in dem Urwald von morgens bis abends. Erstaunlich waren unterschiedliche Herangehensweisen verschiedener Nationen. "Die Amerikaner wollten eine breite Trasse anlegen, so wie sie es auch in ihren Nationalparks machen", sagt Marschner. "Die Russen hingegen wollten die Wege eher naturbelassen und um große Steine herum anlegen, wenn die im Weg waren. "Man fand schließlich einen Kompromiss. Für einen Tag wurde die Gruppe anschließend auf einer Insel eingesetzt. Dort steckten sie Weidensetzlinge und spielten mit russischen Schülern, die die gleiche Aufgabe hatten, abends Fußball.
Als Marschner mit drei anderen Deutschen abreiste, begleitete sie die gesamte Helfergruppe zum Bahnhof. "Wir waren zu einer eingeschweißten Truppe geworden", sagt er. "der Abschied war richtig traurig." Noch einmal ins Camp fahren möchte Marschner trotzdem nicht. Dafür war die Arbeit zu anstrengend. Aber: "Jetzt habe ich große Lust, mit dem Rucksack durch das Land zu reisen", sagt er. "Der Baikalsee ist unheimlich beeindruckend."
