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Rheinzeitung

NR. 190 – Dienstag, 17.August 2004 - von Sylvia Mintgen

Samuel Otto aus Oberwinter reiste zum "Arbeitseinsatz" nach Russland

Faszination Baikalsee. Der tiefste See der Welt liegt in Ostsibirien. 1996 wurde er zum Weltnaturerbe ernannt und zieht seit dem Fall des Eisernen Vorhangs immer mehr Europäer in seinen Bann. Einer von ihnen ist Samuel Otto aus Oberwinter. Der Finanzbeamte kehrte gerade zurück von seinem „Baikal-Trail“ und erzählt von einer anderen Reise.

Oberwinter. Am 26. Juni beginnt das Abenteuer Baikalsee für Samuel Otto, Finanzbeamter aus Oberwinter. Ottos Tante hatte ihn darauf gebracht, dass man sich im Urlaub dort auf interessante Weise nützlich machen kann und brachte ihn zur Organisation "Baikal-Trail". Die baut mit Hilfe von Abenteurern aus der ganzen Welt Wanderwege rund um den Baikalsee.

Ein Mammutprojekt bei einer Größe des Sees von 31 500 Quadratkilometern. Und Arbeitsbedingungen, die gemessen am deutschen Standard, jeder Beschreibung spotten. "Die Arbeitsorganisation war kurios und bestätigte jedes Klischee über Russland", lacht Otto. Aber: "Die kriegen es immer hin, aus fast nichts doch was zu machen." Mit Hilfe von Äxten, Brecheisen, Kettensägen, Astscheren und einem Vorschlaghammer schachteten die Männer ein fünf mal fünf Meter großes Loch aus, das mit Stahlträgern befestigt wurde. Die Brückenpfeiler selbst wurden mit Steinen verfüllt, die man an Ufer des Flusses oder am Baikalsee fand.

„Russland ist schon komisch“, grinst Samuel Otto bei der Erinnerung an Satellitenschüsseln auf abbruchreifen Holzhäusern. "Die können noch so arm sein, Satellitenfernsehen muss sein", lacht der Abenteuerreisende, dem nur die Verpflegung im Lager an die Nieren ging. Zehn Kilo hat er abgenommen. Die Diät: fünf Stunden Arbeit täglich und russische Küche. "Die Krönung war die Nudel-Milchsuppe", schaudert es Otto noch heute. "Da muss man schon einen robusten Magen haben, um den Brechreiz zu unterdrücken."

Die Kochgelegenheit der Naturfreunde weitab von der Zivilisation: eine Art Gulaschkanone, die mit Diesel und Druckluft betrieben wurde und natürlich undicht war. Und es war schlicht Pech, dass die täglich wechselnden zweier-Kochteams immer mit einem Russen bestückt waren. Die haben nämlich für Gewürze nichts übrig. Die Lebensbedingungen am Baikalsee sind spartanisch. Gespült und gebadet wird im Fluss, der auch als Kühlschrank dient. Kurios ebenfalls mancher Mitreisende. "Der absolute Hit war ein 65-jähriger Deutscher", grinst Otto. "Der sprach weder Russisch noch Englisch, sah aus wie ein Obdachloser und roch auch so." Toleranz braucht man eben, wenn vier Kulturen zusammenkommen, sagt Otto und reiht Anekdote an Anekdote. Klingt kaum nach erholsamem Urlaub, möchte man meinen.

Aber Samuel Otto zieht es auch im nächsten Jahr wieder nach Russland und an den Baikalsee. "Das einfache Leben bringt Erholung pur", schwärmt der 29-Jährige und erzählt fasziniert von der Natur, den dichten Bergwäldern, sauberen und eiskalten Bergflüssen und von gastfreundlichen Menschen. Bei mehreren Ausflügen hat er sie kennen gelernt. Und vor allem Ulan-Ude hat es Samuel Otto angetan. "Eine wunderschöne Stadt", sagt er. "Man hat das Gefühl, auf einen Schlag in China oder der Mongolei zu sein." Zurück reiste Otto nach drei Wochen Russland mit der Transsibirischen Eisenbahn. Über Petersburg. Dort traf er auf Freunde, auf saubere Toiletten und auf wirklich gutes Essen.

In Gedanken ist Samuel Otto schon bei der nächsten Reise. Eines hat er dann bestimmt im Gepäck. Salz, Pfeffer und andere Gewürze und Pasten, damit der leckere Omul, der Fisch des Baikalsees, auch so gut schmeckt, wie Otto sich das vorstellt.

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