Leipziger Volkszeitung
06./07. November 2004 - von Nils Husmann
Das hatte Andreas Beyer nicht erwartet: "Man glaubt kaum, wie sehr man in Sibirien schwitzen kann", erzählt der Leipziger und wirkt dabei immer noch ganz erstaunt. Wie warm es genau war im letzten Sommer, kann Beyer nur schätzen. Denn ein Thermometer gehörte nicht zur Ausstattung des spartanischen Camps am Ufer des Baikalsees. Was Beyer aber genau weiß, ist, dass er mit 13 weiteren Freiwilligen aus drei Ländern mitgeholfen hat an einem Mammutprojekt. 150 Meter Weg hat er mit Hacke und Spaten in den Wald geschlagen, rund 100 Kilometer südöstlich von Irkutsk. 1500 Meter, die serpentinenartig vom Ufer des Baikalsees hinauf auf einen Bergkamm führen und die einmal Teil vom Great Baikal Trail sein sollen, einer 1800 Kilometer langen Wanderstrecke rund um das sagenumwobene Gewässer. Wenn alles klappt, soll der Weg in 20 Jahren fertig sein. 140 Kilometer sind bereits begehbar, doppelt so viel wie im Jahr zuvor.
Mit den anderen Freiwilligen hatte Andreas Beyer am Baikal zwischen Listwijanka und Bolschije Kotui sein Zelt für drei Wochen aufgeschlagen. Der reiselustige Familienvater war einem Aufruf des Dresdner Vereins Baikalplan gefolgt und hatte sich nach einem Bericht in dieser Zeitung in einem von sieben Sommercamps beworben. Die Reise, die er aus eigener Tasche bezahlte, brachte harte Arbeit mit sich: Halb acht gab's Frühstück, dann ging's hoch in den Wald. Die Frauen räumten Gestrüpp beiseite, die Männer machten sich mit Spaten und Spitzhacke am Hang zu schaffen. Bis ein Uhr nachmittags wurde gearbeitet, dann war im Camp das Mittagessen fertig. Oben im Wald war die Hitze ohnehin unerträglich.
"Zwei Leute hatten immer Küchendienst", berichtet Beyer mit einem Augenzwinkern. Denn die Küche bestand nur aus einer Feuerstelle, über der ein dicker Ast angebracht war, an dem ein Eimer hing. Darin konnte das klare Baikal-Wasser kochen. Um 16 Uhr, wenn die Sonne nicht mehr voll auf den Hang mit der Baustelle brannte, machte sich die multinationale Truppe wieder an die Arbeit. Bis um halb acht abends ackerten sie weiter - und fielen nach dem Abendbrot todmüde ins Zelt. Ausflüge in die Umgebung gab es nur am Wochenende.
Kann das erholsam sein? Die Frage stellt sich für Andreas Beyer nicht. "Ich habe es aus Spaß an der Freude gemacht. Seit Januar bin ich Rentner, vorher wäre das gar nicht möglich gewesen", so Beyer Vor 30 Jahren hatte der damalige Vermesser beruflich ein halbes Jahr in der Mongolei zu tun. Und auf dem Rückweg durfte er mit seinen Kollegen schon einen Blick auf den Baikalsee werfen von dem mancher behauptet, dass er einem vor lauter Schönheit die Tränen in die Augen treibe. Doch Andreas Beyer ist kein Mann, der diesem Pathos Nahrung verleiht. "Der See hat was", sagt er nur, was genau, kann man nicht beschreiben. Aber alle, die im Camp dabei waren, würden wieder kommen". Auch Beyer will sich noch einmal bewerben. Falls es nicht klappt, wünscht sich der Naturliebhaber vor allem eins: Dass die Russen sorgsamer mit der Natur umgehen."
